Tag 14: Tierra Patagonia oder Paradise is here...

Wie ein Postkartenmotiv: Der Lago Nordenskjöld bei Windstille vor dem Paine Massiv.

Unter den jungen Männern und Frauen des israelischen Militärs gilt er als das dem Paradies am nächsten kommende "Himmelreich auf Erden". Der Nationalpark "Torres del Paine" im Süden Chiles. Zu Hunderten kommen die Israelis nach ihrem zweijährigen Wehrdienst in den Sommermonaten in den Torres del Paine, um die Knarre gegen die Wanderstöcke zu tauschen. Trekking statt Manöver, Foto-Safari statt MG-Schießen. Und die bildgewaltige Landschaft Patagoniens vermittelt tatsächlich beinahe schon eine religiöse Friedlichkeit. Wer einmal vor Ort war, wird diese Eindrücke niemals mehr vergessen. Und jetzt, mitten im Herbst, also Ende März, ist die Zahl der Besucher des Parks auf ein Minimum geschrumpft.

Ein Regenbogen hat sich über dem Wasserfall des Rio Paine gebildet. Wunderschön.

Ein Guanako posiert wie in einer Toblerone-Werbung
im Nationalpark.
"Das Licht ist jetzt am schönsten", erklärt uns Chris, unser Guide, der aus Australien stammt und tatsächlich ein Brokkoli-Tattoo mit den Worten "porque no?" "Warum nicht?" auf der Wade trägt. Einer von vielen Aussteigern, die sich als erfahrene Bergführer oder Tourengeher verdingt haben. "Das Wetter war die gesamte letzte Woche so schlecht, dass man die ,Torres' nicht einmal erahnen konnte", verdeutlicht Chris, während er über seinen Laptop gebeugt die Wetterdaten der Windfinder-App checkt. Wieder haben wir unglaubliches Glück: Es werden drei der schönsten Tage des gesamten letzten Vierteljahres im Park.

Ein Sonnenaufgang, der aussieht wie Alpenglühn. Mehr geht einfach nicht...

Frühmorgens um 8 Uhr hebt sich die Sonne im Osten und taucht die gewaltige Felsformation in ein magisches Licht. Und das dauert nur etwa 15 Minuten, gleich zu Beginn des Sonnenaufgangs. Der Torre Sur mit seinen 2850 Metern Höhe leuchtet mit seinen Brüdern Torre Central (2800m) und Torre Norte (2600m) wie beim Alpenglühn, während der wie aus einer Schweizer Toblerone-Werbung entstiegene Almirante Nieto (2800m) mit seiner schneebedeckten Kegelspitze und seinen westlichen Ausläufern das Postkartenmotiv ergänzt. Vom Torre Norte stürzten sich unlängst ein paar kühne Basejumper mit ihren Spezialfallschirmen fast anderthalb tausend Meter die senkrecht abfallen Felswände hinab und entkamen danach mit knapper Not den chilenischen Carabinieros.

Es ist - sehr ungewöhnlich - völlig windstill an diesem Morgen und der Lago Sarmiento, der langgezogenste See im Park, wirkt mit seiner unbewegten, kristallklaren Oberfläche wie ein Spiegel. Mehr geht einfach nicht. Doch Chris, unser Guide, drängt zum Aufbruch. Der "Hunter's Trail" wartet auf uns. Ein eigentlich nicht vorhandener Pfad zu Füßen der Felsmassive, inmitten des Lago Sarmiento und Lago Nordenskjöld, der seinen Namen nach dem Entdecker der Antarktis bekam. Es wird ein langer, vierstündiger Marsch durch eine unvergleichliche Landschaft. Wer aber glaubt, einen Puma zu sichten und dann total enttäuscht ist, keinen gesehen zu haben, sollte lieber daheim bleiben. Die scheue, wunderschöne Raubkatze ist in den letzten Jahrzehnten von den Gauchos der angrenzenden riesigen "Estancias" regelrecht dezimiert worden. Teils, weil die Raubkatze gerne einmal die Jungschafe reißt, zum anderen gibt es tatsächlich noch so etwas wie ein Männlichkeitsritual (jedem Gaucho seinen Puma...). Auch sollte man den Touristenmärchen, man habe gerade gestern noch frische Puma-Losung sogar in der Nähe des Ranger Camps gesehen oder ganz neue Pfotenspuren am Rio Paine gefunden keinen Glauben schenken. Selbst die erfahreneren Guides bekommen einen Puma nur ein oder zwei Mal im halben Jahr zu Gesicht. Und wenn überhaupt nur für ein paar Sekunden.

Doch Wildlife gibt es reichlich zu sehen. Die allgegenwärtigen Guanakos haben über die Jahre gelernt, den Menschen nicht als Feind zu identifizieren. Mit dem Wind von vorne kann man bis auf wenige Meter an sie herankommen. Die zur Familie der Kamele (Gattung der Lamas) gehörenden Vierbeiner wirken mit ihren langen Hälsen etwas einfältig und teilnahmslos, doch auf einer Anhöhe wachen immer wieder zwei bis drei Männchen, die bei Gefahr durch Rufe zum Beispiel vor einem Puma oder aber dem mächtigen Kondor warnen. Es ist ein Hike durch eine Traumlandschaft. Inmitten der erdigen von Vulkangestein aufgetürmten Felsformationen steht plötzlich leuchtendes Pampasgras, dann wieder öffnet sich hinter eine Kuppe eine tiefblaue Lagune mit sattgrünem Schilf. Weiße Schwäne mit schwarzen Hälsen dümpeln friedlich auf dem See, einmal sehen wir sogar eine große Brutkolonie von rosafarbenen Flamingos, die durch das ufernahe Wasser staksen. Immer wieder kreuzen die straußenähnlichen Darwin-Nandus unseren Weg und dann plötzlich zieht ein großer Anden-Kondor mit seinen fast 3 Metern Spannweite über unseren Köpfen auf der Jagd nach Beute seine Runden. Noch etwas später sitzt plötzlich ein kleiner Graufuchs vor uns auf der Pläne. Neugierig. Ohne jede Scheu. Immer wieder bleibt man stehen und versinkt geradezu in Ehrfurcht. Ehrfurcht vor Schöpfung, wer auch immer diesen Teil der Welt geschaffen haben mag.

Leuchtend gelbes Pampasgras in der Weite Patagoniens.

Die wenigsten Wanderer wissen, dass die Formation der Torres del Paine nicht zu den vor 60 Millionen Jahren entstandenen Anden gehört. Geologisch gesehen ist sie fast 48 Millionen Jahre später aus einer gewaltigen Magmakammer entstiegen. Von Urkräften hinauf gedrückt und dann erkaltet. Ein Amerikaner in unserer Gruppe, der sich wohl etwas auskennt, meint zu wissen, dass bei einem schnelleren Abkühlen seinerzeit hier heute alles voller Diamanten sein müsste. Aber der Herr meinte ja auch, dass Torres del Paine, Türme des Schmerzes heißen würde, vom Englischen "Pain". Das ist natürlich Mumpitz, denn die indigenen Mapuche gaben den drei mächtigen Türmen einen Namen nach ihrer Farbe, namlich Blau.
Hinter jedem erklommenen Pass bietet sich ein neuer, atemberaubender Ausblick.

Am Ende unserer Wanderung stehen wir urplötzlich in einem völlig verkohlten und verbrannten Wald. Bis fast zum Horizont erstreckte sich um Weihnachten 2005 (also im Sommer auf der Südhalbkugel) eine gewaltige Feuersbrunst. Ausgelöst ausgerechnet durch die israelischen Backpacker. Die haben beim Militär bei Übungen die Anweisung, ihr Toilettenpapier in Löchern zu verbrennen. Und das tat auch einer der jungen "Pilger" und vernichtete ungewollt einen großen Teil des ohnehin wegen des ariden Klimas spärlichen Baumbewuchses...
Ein harter Aufstieg, aber der Hunters Trail hat sich gelohnt.

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