Tag 12: La Tierra del Fuego

Vom Biber gestaut: Der Märchensee bei Wulaia.
Wie im Discovery-Channel mit Full HD gleiten seit Stunden die Ufer der Fjorde Feuerlands an unserem Kabinenfenster vorbei. Eine so ursprüngliche Landschaft, die jetzt im Herbst bei dem langen, blauen Licht ihren Reiz einfach noch stärker entfaltet. Der Wind ist fast völlig eingeschlafen und die Wasseroberfläche vor der Insel Navarino (Chile) ist glatt wie ein Spiegel. Selbst beim Anlanden im legendären Wulaia, einem entlegenen Außenposten südlich von Ushuaia, reichen leichte Wanderkleidung und Trekkingschuhe.
Am steinigen Strand, auf den sich die fetten Gummiwülste der Zodiacs schieben, wurden im Sommer 1856 ausnahmsweise umgekehrt einmal die Kolonialisten von den indigenen Stämmen vertrieben. Leider auf grausame Weise - sie erschlugen die meist englischen Trapper mit Knüppeln. Bis vor 20 Jahren lebte hier bis in die 4. Generation eine Familie aus Kroatien in einem einfachen Haus ein entbehrungsreiches Leben - die nächsten Nachbarn der Schafzüchter waren 50 Kilometer entfernt. Auf dem Wasserweg, versteht sich.
Einzigartiger Blick über die Fjorde Feuerlands. Ein solches Wetter ist sehr selten.
Anlandung im Zodic. So geht Abenteuer.
Vom nahen Bergrücken bietet sich ein unvergleichliches Panorama über die Inselwelt Feuerlands. In der Ferne nehmen die Bergketten der Anden in Chile ihren Lauf, zu unseren Füßen ertrinkt alles in sattem Blau, tiefem Grün, Strohgelb oder erdigem Braun. Auch die Stella Australis verliert sich wie eine Nussschale auf dem Postkartenmotiv.
Dann, kurz hinter einem kleinen Wald geraten wir an eine zauberhaften kleinen See. Biber haben ihn erst vor einiger Zeit durch ihren Dammbau aufgestaut. Die pelzigen Nager sind als sie die Wanderstiefel hörten gleich in ihren Bau abgetaucht. Aber ihr Werk kann man wirklich nur bestaunen. Der See sieht aus wie aus einem Märchen. Aber auch das hat zwei Seiten. Denn der Biber wurde aus Nordamerika zur Pelzzucht "importiert" und trifft in Feuerland auf keine natürlichen Feinde. Folglich wurden aus nur 20 mitgebrachten Pärchen inzwischen geschätzt über 200.000 Tiere. Die enormen Schaden an den ohnehin spärlichen Wäldern anrichten. Jeder Stamm ist angeknabbert. Man muss oft darauf achten, dass man nicht versehentlich einen größeren Baum zum Umsturz bringt. Gar nicht ungefährlich, wenn eine große Nothofagusbuche krachend ins Gehölz schlägt. Deren Rinde sieht eher aus wie die von Eichen, das Blattwerk indes ist viel feiner als das nordeuropäischer Buchen. Immer wieder sieht man seltene Moose wie Bärte von den Ästen hängen - eine einzigartige Symbiose in den "Bosques de la Tierra del Fuego". Auch seltsame, dicke Knoten findet man auf den Ästen. Einer der versierten Schiffslektoren erklärt uns später, dass dies eine Schutzfunktion des Baumes ist, mit der er schädliche Pilze einfach "einkapselt".
Jetzt sind wir in Chile. Die Besatzung hat gleich
eine Fahne am Strand gehisst.

Der Landgang in Wulaia beliebt nicht der Einzige an diesem Tag. Am späten Nachmittag streifen wir wieder die Schwimmwesten über. Es geht zum Agostini-Geltscher. Doch zuvor marschieren wir entlang des steinigen Ufers bis zu einer Landzunge. Als wir diese umrunden, bietet sich ein wahrlich majestätischer Anblick, obwohl der Himmel sich etwas bedeckt hat. Mit seinen tiefblauen Eiseinschlüssen schiebt sich der Ausläufer des gewaltigen Darwin-Gletschers vom Berg direkt hinab zu einem kleinen See am Fjord. Wir sind mit dem ersten Schlauchboot angelandet und vor allen anderen am Fuß des Gletschers. Ich riskiere und bekomme natürlich später den Anpfiff zu dicht an den Gletscher herangegangen zu sein. Aber der Agostini "kalbt" nur sehr selten. Das bei Gletschern sonst laute Krachen von Eis ist heute nur ein ganz leises Grummeln. Es ist eine wunderbare Stunde an diesem sehr abgelegenen Eisfeld. Und erst mit den letzten Mitgliedern der Besatzung gehen wir zurück aufs Schiff. Dort wartet auf dem Darwin Deck (welch passender Name) ein Pisco Sour. Ein Gebräu, aus vergorenem Traubenmost, Limettensaft, Zuckersirup und Eiklar, der mit Eis gemixt und ins Glas abgeseiht wird. Das chilenische Nationalgetränk - obwohl der Name aus Peru stammt, aber auf Streitereien mit der Crew über solche Kleinigkeiten hat ja nun niemand Lust. Wirklich jeder an Bord ist von dem Törn auf der Stella Australis restlos begeistert. "Me gusta, la Tierra del Fuego", mir gefällt Feuerland, prostet man sich zu. Und die Franzosen, die tags zuvor so seekrank waren, halten an der Bar am längsten durch...
Der Agostini Gletscher schiebt sich von weit oben an das Ufer heran.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen