Tag 15: Der Flügel des Kondors

Blick von der Bar des Tierra Patagonia: Noch Fragen?
Es ist gerade einmal drei Jahre jung - das Hotel Tierra Patagonia. Gebaut auf einer riesigen Estancia, kurz vor den Toren des Nationalparks Torres del Paine. Und es ist, so darf man getrost annehmen, nur mit sehr, sehr guten Connections möglich, an dieser exponierten Stelle ein derart luxuriöses Resort zu errichten. Aber es ist schlicht gesagt eine Komposition aus absolut gelungener, naturkonformer Architektur und einem ungezwungenem High-End-Standard, der seines Gleichen sucht. So ist der teilweise zweistöckige, lang gestreckte Bau, der fast 250 Meter misst, aus einer Entfernung von sechs Kilometern Luftlinie mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen. Die gesamte Dachkonstruktion, die wohl an den Flügel eines Kondors erinnern soll, ist durch die Deckung mit Holz einfach nicht auszumachen. So perfekt hat der Architekt das Gebäude in die Landschaft integriert.
Überhaupt ist Holz ja ohnehin der beste Baustoff. Als Baumaterial wurde ausschließlich das im Süden Südamerikas heimische Lenga-Holz der Nothofagusbuche verwendet. Ein Baum, der bis zu 30 Meter hoch werden kann. Boden-, Wand- und Deckenbeplankung sind absolut harmonisch und weitmöglichst entfernt von dem Gefühl einer finnischen Holzsauna. Auch die lavasteinfarben gefliesten Bäder mit Edelkeramik und Stahlarmaturen ergänzen das perfekte Bild. Ein schöneres Hotel in dieser Form ist uns bislang nicht begegnet.
Liegt man in den gigantisch dimensionierten Doppelbetten, hat man von jedem (!) Zimmer einen fantastischen Ausblick auf das Paine-Massiv mit seinen gewaltigen Türmen. Die Nachbarn hört man nie, meist sind die ohnehin von den anstrengenden Trekking-Touren so erschöpft, dass an Party im eigenen Zimmer nicht zu denken ist. Einige Kleinsuiten sind gar mit einer großen Badewanne direkt vor dem Fenster ausgestattet - wer mag, kann einen bezaubernden Sonnenuntergang in einem Zuber voller reinstem Patagonienwasser genießen.

Im Westflügel des Gebäudes ist ein unvergleichlich schönes Spa untergebracht. Unvergleichlich natürlich mit Blick auf die Aussicht. Fünf Meter hohe Fensterfronten rundum eröffnen den Blick auf das Torres-Massiv, den Lago Sarmiento und während man entweder im horizont-ebenen Pool oder im tatsächlich fein beheizten Außen-Jacuzzi dümpelt, tapsen ein paar verirrte Darwin-Nandus schon mal durch Bild. Oder Ramón, das Schaf. Das Wolltier war seinerzeit einmal von seiner Herde ausgebüchst und ist zu einer Art Maskottchen des Hotels geworden. An einigen Tagen stampft Ramón auch durch die unglaublich großzügig aus Holz und Glas gearbeitete Lobby und ruft ungläubige Blicke der Gäste hervor. Doch alles Verscheuchen brachte nichts. Ramón ist eben ein Hotel-Schaf. Geduldet, nicht immer beliebt - wie Gäste eben...
Suite mit Wanne und Aussicht. Ein Traum in Lenga-Holz.
Bei all der Euphorik muss man natürlich als Deutscher ein Haar in der Suppe finden. Seltsam war es dann schon, dass die schwangere Lady, die am späten Nachmittag neben einem im Außenpool saß, einem später an der Bar plötzlich das Bier über die Theke reicht (es gab noch mehr Begegnungen dieser Art). Und das der Hauswein wirklich in dieser Amselfelder-Qualität (und das in Chile!) nicht dem Standard entspricht. Die immer freundlichen Camareras (Kellnerinnen) waren bei nur acht Gästen im Restaurant derart überfordert, dass man sie beinahe an der Hand in die Küche hätte mitnehmen sollen, wenn sie nicht gerade mit ihren Smartphones am Chatten waren. Bevor jetzt einer wieder die deutsche Pingeligkeit moniert: Man kann bei den Preisen erwarten, dass man bei seiner Bestellung von Lomo (Rind) wie auf der Karte kein Fischgericht serviert bekommt. Und wer in Chile reist und ernsthaft hoteleigene Bademäntel benutzt, gibt sich freiwillig der Lächerlichkeit Preis. Egal wo - in Chile passen nur kleinwüchsige Einheimische oder Koreaner in die Frottee-Mäntel.
Dem natürlich allem zum Trotz: Das Tierra Patagonia ist ein Resort der allerersten Wahl. Und es zählt bei allen, die wir in der Welt bisher gesehen haben, zu den zweifellos besten!

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